Newsletter 2023/2 – Schlussanträge der Generalanwältin am EuGH vom 1. Dezember 2022 in der Rechtssache C‑626/21 (Funke

Sp. z o.o. ./. Landespolizeidirektion Wien) zum Rechtsschutz der Unternehmen gegen RAPEX-Meldungen

Das RAPEX-System der Europäischen Union dient der Meldung im Sinne einer Schnellwarnung zwischen den Mitgliedstaaten, wenn ein gefährliches Verbraucherprodukt (ohne Lebensmittel) in  Verkehr gebracht wurde. Im Zentrum der Meldung steht eine Information über diejenigen Maßnahmen, die zur Vermeidung oder Einschränkung der Verwendung von gefährlichen Produkten getroffen wurden. Dies können zum Beispiel Rücknahme- oder Rückrufaktionen sein. Dabei erfasst RAPEX sowohl Maßnahmen der einzelstaatlichen Marktüberwachungsbehörden als auch freiwillige Maßnahmen von Herstellern und Händlern.

Jeden Freitag veröffentlicht die Europäische Kommission eine von jedermann einsehbare Übersicht über gefährliche Produkte, die ihr aus den Mitgliedstaaten gemeldet wurden. Viele Unternehmen nutzen die RAPEX-Übersicht mittlerweile auch, um sich grundsätzlich über mögliche Produktrisiken zu informieren.

In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Rechte von Wirtschaftsakteuren, an diesem System beteiligt zu werden, wenn die Waren, mit denen sie handeln, Gegenstand einer solchen Meldung sind.

Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge wurde bei einer Marktüberwachung durch die Landespolizeidirektion Wien nach den geltenden österreichischen Rechtsvorschriften bei einem Händler von pyrotechnischen Gegenständen festgestellt, dass bestimmte Arten bei diesem Händler vorrätiger Feuerwerkskörper für Anwender nicht handhabungssicher waren. Die Landespolizeidirektion sprach gegen den Händler durch Bescheid ein Verkaufsverbot für diese Gegenstände aus und ordnete ihren Rückruf vom Markt an. Der betroffene Anbieter war der Ansicht, dass in diesen über RAPEX übermittelten Meldungen die Produkte, die Gegenstand der behördlichen Maßnahmen gegen den Händler waren, nicht ordnungsgemäß beschrieben worden seien.

Das vorlegende österreichische Gericht möchte geklärt wissen, ob sich aus dem einschlägigen, RAPEX betreffenden Unionsrecht direkt ein Antragsrecht eines Wirtschaftsakteurs auf Vervollständigung einer RAPEX-Meldung und ein Recht auf ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz gegen Beeinträchtigungen aus einer RAPEX-Meldung ergibt. Nach Auffassung des österreichischen Gerichts soll einem Wirtschaftsakteur kein Antragsrecht auf Vervollständigung einer seiner Ansicht nach unvollständigen RAPEX-Meldung zustehen, da das RAPEX-Meldeverfahren ausschließlich zwischen der Kommission und den Behörden der Mitgliedstaaten geführt werde, ohne den Wirtschaftsakteuren dabei eigene Rechte zukommen zu lassen.

Die mit dem Verfahren befasste Generalanwältin beim EuGH empfiehlt im Rahmen der Schlussanträge, die vorgelegten Rechtsfragen dahin auszulegen,

„dass die primäre Verantwortlichkeit für die Korrektheit und Genauigkeit der über das RAPEX-Meldeverfahren gemeldeten Informationen beim meldenden Mitgliedstaat liegt, dass sich aber das Recht eines Wirtschaftsteilnehmers auf Vervollständigung einer RAPEX-Meldung nicht unmittelbar aus diesen Vorschriften ergibt.

Ein solches Recht lässt sich jedoch aus dem in Art. 34 AEUV verankerten Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung ableiten.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, allen Wirtschaftsteilnehmern gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, die geltend machen, dass eine unvollständige RAPEX-Meldung ihnen gegenüber ein ungerechtfertigtes Handelshindernis darstellt.“

Ob der Europäische Gerichtshof in diesem Sinne entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Gleichwohl stellen die Schlussanträge der Generalanwältin einen wichtigen Hinweis auf eine mögliche Entscheidung des Verfahrens dar.

Das Urteil ist abrufbar: hier klicken.

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Newsletter vom:

10.01.2023

 

Redaktion:

Prof. Dr. Markus Grube

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