Newsletter 2022/2 –
Freie Übersetzungen von gesetzlich vorgegebenen Begrifflichkeiten unzulässig
Mit Urteil vom 13. Januar 2022 hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C‑881/19 entschieden, dass freie Übersetzungen von gesetzlich vorgegebenen Begrifflichkeiten unzulässig sind.
Das Wichtigste in Kürze:
Lebensmittelunternehmen sollten daher darauf achten, stets die gesetzlich vorgegebenen Begrifflichkeiten, insbesondere Bezeichnungen von Lebensmitteln und Zutaten, wörtlich gemäß den einschlägigen Rechtstexten zu übernehmen und von freien Übersetzungen bzw. Variationen dieser Begrifflichkeiten abzusehen, um Rechtsnachteile zu vermeiden.
Denn nicht nur die Verwendung der abweichenden Begrifflichkeit kann als solche beanstandet werden, sondern es können durch den Verlust des Privilegs von Kennzeichnungserleichterungen auch Folgeprobleme entstehen.
So konnte im zu entscheidenden Fall der Lebensmittelunternehmer sich nicht mehr auf die Ausnahmevorschrift nach Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) berufen, wonach die Benennung der Zutaten zu einer zusammengesetzten Zutat nicht erforderlich ist, wenn die Zusammensetzung der zusammengesetzten Zutat in einer Unionsvorschrift festgelegt ist und die zusammengesetzte Zutat weniger als 2 % des Enderzeugnisses ausmacht.
Hintergrund zum Ausgangsfall und Einzelheiten zu der Entscheidung:
Klägerin im Ausgangsverfahren war ein Einzelhandelsunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, welches auch in der Tschechischen Republik Supermärkte betreibt und dort u. a. Schokoladenprodukte vertreibt, deren Zutatenverzeichnisse die Zutat „Schokolade in Pulverform“ aufführen, ohne die Zusammensetzung dieser Zutat näher zu erläutern. Die zuständigen tschechischen Behörden verboten die Vermarktung und stützten sich dabei darauf, dass die Etikettierung dieser Erzeugnisse die Angabe „Schokolade in Pulverform“ enthalte, ohne die Zutaten zu dieser zusammengesetzten Zutat aufzuführen (Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 und 4 LMIV). Außerdem ergebe sich aus Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36 über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse, dass im Tschechischen der Begriff „Schokoladenpulver“ verwendet werden müsse und nicht der Ausdruck „Schokolade in Pulverform“.
Das mit dem Fall befasste Regionalgericht Brünn hatte dann beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Ist die in Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 enthaltene Regelung dahin auszulegen, dass bei einem Lebensmittel, das für Verbraucher in der Tschechischen Republik bestimmt ist, eine in Anhang I unter Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36 angeführte zusammengesetzte Zutat im Zutatenverzeichnis des Erzeugnisses nur dann ohne detaillierte Angabe ihrer Zusammensetzung aufgeführt werden darf, wenn diese zusammengesetzte Zutat exakt entsprechend der tschechischen Sprachfassung des Anhangs I der Richtlinie 2000/36 gekennzeichnet ist?“
Der Gerichtshof bejaht die Notwendigkeit einer wortlautgetreuen Übernahme der gesetzlich vorgegebenen Begrifflichkeiten gemäß den amtlichen Sprachfassungen. Nur so habe der Verbraucher die Sicherheit, auch tatsächlich und zweifelsfrei diejenigen Zutaten vorzufinden, deren Zusammensetzung und Bezeichnung gesetzlich vorgegeben sind.
Das Urteil ist abrufbar unter: hier klicken.
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31.01.2022
Redaktion:
Prof. Dr. Markus Grube
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