Newsletter 2023/3 – Neue Rechtsprechung zu § 40 Abs. 1a LFGB
Nach § 40 Abs. 1a LFGB ist die zuständige Behörde zur unverzüglichen Information der Öffentlichkeit im Falle von Verstößen im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts verpflichtet, wenn eine der drei folgenden Fallgruppen betroffen ist:
• Überschreitung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen,
• Vorhandensein nicht zugelassener oder verbotener Stoffe oder
• Verstoß gegen Vorschriften im Bereich der Gesundheitsgefährdung, Täuschung oder Hygiene, falls ein Bußgeld in Höhe von mindestens 350,00 € oder eine Sanktionierung als Straftat zu erwarten ist.
Die Rechtsprechung hat sich in der jüngeren Vergangenheit wiederholt mit der Auslegung des Begriffs der „unverzüglichen“ Information der Öffentlichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1a LFGB beschäftigt:
1. OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.10.2022
Das OVG Lüneburg entschied mit Beschluss vom 20.10.2022 (Az.: 14 ME 304/22), dass die Informationsveröffentlichung nicht mehr unverzüglich ist, wenn in dem zu beurteilenden Sachverhalt zwischen dem festgestellten Verstoß und der Anhörung des Lebensmittelunternehmers ein Zeitraum von zehn Wochen liegt.
2. OVG Bremen, Beschluss vom 25.02.2022
Ähnlich hatte bereits zuvor das OVG Bremen in seinem Beschluss vom 25.02.2022 (Az.: 1 B 487/21) ausgeführt, dass zwar im Einzelfall auch ein Zeitraum von ca. vier Monaten noch als „unverzüglich“ eingestuft werden könne, jedoch auch ein Zeitraum von fünf Wochen zwischen der Nachkontrolle und der Anhörung des Lebensmittelunternehmers grenzwertig sei.
3. VGH München, Beschluss vom 04.11.2022
Auch der VGH München hielt in seiner Entscheidung vom 04.11.2022 (Az.: 20 CE 22.2069) eine Unverzüglichkeit für nicht mehr gegeben, nachdem zwischen der Feststellung des lebensmittelrechtlichen Verstoßes und der geplanten Veröffentlichung knapp drei Monate lagen. Die Behörde sei auch nicht verpflichtet gewesen, nach der Anhörung des Lebensmittelunternehmers auf dessen wiederholte Einwendungen einzugehen und diese erschöpfend zu beantworten.
Der VGH München erwähnt darüber hinaus die überlange Dauer des vorläufigen Rechtsschutzes von sieben Monaten vor dem Verwaltungsgericht. Der Zweck der Veröffentlichung, die Verbraucher über die lebensmittelrechtlichen Verstöße zu informieren und ihnen eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen, sei auch aufgrund der Dauer des gerichtlichen Verfahrens jedenfalls nicht mehr in einer Aktualität zu erreichen, der den erheblichen Eingriff in das Grundrecht des Lebensmittelunternehmers in seine Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen könne.
4. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.03.2018
Bei der Beantwortung, ob eine „Unverzüglichkeit“ anzunehmen ist, beziehen sich die Gerichte insbesondere auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2018 (Az.: 1 BvF 1/13), das eine Vorgängerversion des heutigen § 40 Abs. 1a LFGB für verfassungswidrig gehalten hatte, da die damalige Regelung keine zeitliche Befristung für die Veröffentlichung der Information enthielt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte deutlich gemacht:
„Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist auf der einen Seite noch der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt. Je länger eine für das Unternehmen negative Information in der Öffentlichkeit verbreitet wird, desto größer ist auf der anderen Seite dessen Belastung, weil umso mehr Verbraucherinnen und Verbraucher im Laufe der Zeit von dieser Information zuungunsten des Unternehmens beeinflusst werden können. […]“ (siehe Rn. 58).
Diese Überlegungen sind laut dem Gesetzgeber für die Begründung des Merkmals der Unverzüglichkeit in der heutigen Fassung des § 40 Abs. 1a LFGB von Bedeutung. Dabei gilt in der Regel, dass je mehr Zeit zwischen dem Verstoß und der Veröffentlichung vorliegt, desto eher überwiegt das Recht des Lebensmittelunternehmers auf Schutz seiner durch die Informationsveröffentlichung mittelbar-faktisch betroffenen Berufsausübungsfreiheit gegenüber dem Informationsinteresse des Verbrauchers.
Ebenfalls von Relevanz bei der Bewertung der Zulässigkeit von Veröffentlichungen im Sinne des § 40 Abs. 1a LFGB ist der Inhalt der Veröffentlichung:
VG Bayreuth, Beschluss vom 24.10.2022
In seinem Beschluss vom 24.10.2022 (Az.: B 7 E 22.950) hat das Verwaltungsgericht Bayreuth entschieden, dass der geplante Veröffentlichungstext mit der Angabe „Kennzeichnungsmängel“ nicht mit § 40 Abs. 1a LFGB vereinbar sei, da der durchschnittliche Verbraucher mit einem „Kennzeichnungsmangel“ einen Mangel zur stofflichen Zusammensetzung des Produktes und gesundheitliche Gründe verbinde.
Vielmehr sei im Rahmen des § 40 Abs. 1a LFGB zu fordern, dass dem Veröffentlichungstext klar und unmissverständlich zu entnehmen ist, ob Verstöße in der stofflichen Beschaffenheit bzw. der Zusammensetzung des Produktes vorliegen oder „nur“ Verstöße bei – wie in dem streitgegenständlichen Sachverhalt – gesundheitsbezogenen Angaben in der Kennzeichnung.
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Newsletter vom:
08.02.2023
Redaktion:
Dr. Christine Konnertz-Häußler, LL.M.
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