Newsletter 2022/7 – Europäische Kommission schlägt Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten vor

Am 23.02.2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen angenommen, der nun dem Europäischen Parlament und dem Rat vorliegt. Der Richtlinienvorschlag wird von Parlament und Rat in voraussichtlich mehreren Lesungen überarbeitet und geändert werden, bis sich beide Institutionen auf eine finale Version einigen und die Richtlinie als Gesetz verabschieden können. Danach haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre zur Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht Zeit.

 

Hintergrund: Die EU-Kommission will in allen globalen Wertschöpfungsketten Unternehmensregeln für die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt verankern. Diese Regeln sollen Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen sowie mehr Transparenz für Verbraucher und Anleger schaffen.

In Deutschland ist im Juli 2021 das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) verabschiedet worden, das in seinen wesentlichen Teilen am 01.01.2023 in Kraft treten wird. Das LkSG bietet sich zukünftig als Umsetzungsgesetz für die Richtlinie an, zumal die Pflichtenkataloge ähnlich sind. Es wird allerdings zu diesem Zweck erheblich an den Anwendungsbereich der Richtlinie und umfassendere Regelungsinhalte angepasst werden müssen.

 

Anwendungsbereich: In den Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags fallen

  • – große EU-Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern und einem Nettoumsatz von mehr als 150.000.000 EUR weltweit,
  • – mittlere EU-Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern und einem jährlichen Nettoumsatz von mehr als 40.000.000 EUR weltweit, wenn wenigstens die Hälfte dieses Umsatzes in einem „High-Impact“-Sektor, z. B. in Landwirtschaft, Fischerei, Lebensmittelherstellung, Großhandel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, lebenden Tieren, Lebensmitteln oder Getränken erzielt wird,
  • – Unternehmen, die nach Rechtsvorschriften eines Drittlandes gegründet wurden und in der EU tätig sind, werden später – zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie – unter diese fallen, wenn sie die genannten Umsätze in der EU erwirtschaften. Dies gilt unabhängig von der Zahl ihrer Arbeitnehmer (Art. 2 Abs. 2).

Das deutsche Umsetzungsgesetz wird daher jedenfalls in der Lebensmittelbranche einen anderen, voraussichtlich deutlich größeren Anwendungsbereich als das aktuelle LkSG haben müssen (Anwendungsbereich des LkSG: ab 3000 Arbeitnehmer, ab 01.01.2024 reduziert auf 1000 Arbeitnehmer, aber umsatzunabhängig gemäß § 1 LkSG).

 

Regelungen: Der Richtlinienentwurf sieht z. B. Sorgfaltspflichten in Bezug auf das eigene und das Geschäft von Tochtergesellschaften und Tätigkeiten in der Wertschöpfungskette in „etablierten Geschäftsbeziehungen“, Risikomanagementmaßnahmen, Präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen, die Einführung eines Beschwerdeverfahrens etc. vor. Im Vergleich zum LkSG, das Sorgfaltspflichten grundsätzlich nur im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern vorsieht, stellt dies eine erhebliche Erweiterung des Pflichtenkreises auf sämtliche Geschäftsbeziehungen –unabhängig vom Vertragsverhältnis, jedenfalls wenn eine etablierte Geschäftsbeziehung gegeben ist – dar.

 

Kampf gegen den Klimawandel: Gemäß Art. 15 des Richtlinienvorschlags müssen Geschäftsmodelle und Strategien der Unternehmen mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen in Einklang sein.

 

Zivilrechtliche Haftung: Opfer von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden sollen für Nachteile, die ihnen aus der Missachtung der Präventions- und Abhilfepflichten der Unternehmen entstehen, grundsätzlich entschädigt werden (Art. 22). Ausnahmen sind z. B. möglich, wenn ein nur „indirekter Partner“ die Schäden verursacht hat und die Maßnahmen des Unternehmens nicht offensichtlich unangemessen waren. Diese Schadensersatzhaftung beinhaltet im Vergleich zum LkSG eine deutliche Haftungserweiterung für Unternehmen, denn das LkSG stellt bislang ausdrücklich klar, dass es gerade keine zivilrechtliche Haftung wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten des LkSG begründet (§ 3 Abs. 3 LkSG). Die Frage, ob eine zivilrechtliche Haftung gewünscht und möglich ist, war bereits im Rahmen der Entstehung des LkSG sehr umstritten und wird nun voraussichtlich auch auf europäischer Ebene erhebliche Diskussionen auslösen.

 

Rechtliche Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes: Die Europäische Kommission wird laut Richtlinienvorschlag ein EU-weites Netz von Aufsichtsbehörden einrichtet, das ein abgestimmtes Vorgehen der nationalen Aufsichtsbehörden gewährleisten soll. Die nationale Aufsichtsbehörde soll Sanktionen einschließlich Bußgelder verhängen und Anordnungen treffen können.

 

Die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 23.02.2022 sowie der Entwurf der Richtlinie sind abrufbar: hier klicken!

 

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Newsletter vom:

07.03.2022

 

Redaktion:

Dr. Katrin Eckhoff

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